2015 - Chorverbände laden Flüchtlinge zu Konzerten ein

von Melanie von Bismarck

Bei dem Konzert am 5. September in der Hamburger Laeiszhalle werden Hits aus Musical, Film, Rock und Pop gespielt.

Welthits aus Musical, Rock, Pop und Filmmusik werden am Sonnabend in der Laeiszhalle in Hamburg und am 13. September in Buxtehude geboten. „Music rocks!“ heißt das Programm mit Chor, Orchester und Top-Solisten aus der Musical-Szene.

Mit Gratis-Tickets für Flüchtlinge wollen die Veranstalter – die Chorverbände Hamburg und Niedersachsen-Bremen – ein Zeichen für mehr Menschlichkeit setzen.

Übergeben wurden 100 Karten am Montagmittag auf dem Tschaikowskyplatz in Nähe der Hamburger Messehallen, wo derzeit rund 1.200 Flüchtlinge untergebracht sind. Dazu gab es als Vorgeschmack auf das Großereignis „Music rocks!“ ein kleines Open-Air-Konzert.

„Ich suche Hoffnung“

Schaulustige versammelten sich auf dem Tschaikowskyplatz, darunter viele Flüchtlinge. Still lauschen und beobachten sie. Die Kinder sind voll bei der Sache, fangen bei Leonard Cohens „Hallelujah" spontan an zu klatschen. Mohamed ist unter den Zuschauern. Er ist 22 Jahre alt, kommt aus Syrien. Seit 20 Tagen ist er erst in Hamburg. In seinem Land ist Krieg, erzählt Mohamed. Kinder und alte Leute sterben. Wenn es irgend geht, möchte er irgendwo sein Studium fortsetzen. „Ich suche Hoffnung“, sagt er. „Ich suche eine Zukunft.“

Die Band Souldacity beginnt zu spielen. Bandleader Darin Byrd hat sieben Jahre die Hauptrolle im „König der Löwen“ gesungen, am Sonnabend wird er einer der Solisten sein. Der Sänger engagiert sich sehr für die Flüchtlinge. Er hat auch einen Koffer mit Kleidung mitgebracht. „Erstens: Ich hab zu viele Klamotten“, sagt Darin. „Zweitens: Die Flüchtlinge brauchen sie dringender als ich“.

Gospel „Baba Yetu“ in Kisuaheli

Der Chor ist in kleiner Besetzung vertreten. Er singt den Gospel „Baba Yetu“ in Kisuaheli. Den Song kennen hier viele – ein Lächeln geht über die Gesichter. Doris Vetter dirigiert den Chor. „Wir haben überlegt, das soll nicht nur ein schönes Konzert sein. Die europäische Kammerphilharmonie, die Band, wahnsinnig viele Chorsänger, Anton Zetterholm – der berühmte ‚Tarzan‘-Darsteller -, Darin Byrd – der Löwenkönig der letzten Jahre -, und Katrin Taylor von ‚Rocky‘ möchten hier heute und auch an dem Abend Flüchtlinge willkommen heißen“, erklärt Vetter, die auch Initiatorin und Leiterin des Projekts „Music rocks!“ ist. „Wir möchten nicht nur die Probleme und Nöte der Welt in den Vordergrund rücken. Wir wissen alle, es gibt viel Not. Wir möchten, dass die Menschen einfach einen schönen Abend mit uns zusammen haben.“

Tickets werden von Organisationen an Flüchtlinge verteilt

Drei Organisationen, darunter die Anwohnerinitiative „Refugees Welcome – Karoviertel“, werden die 100 Tickets verteilen. „Das erfordert Feingefühl“, sagt Vetter. „Man kann nicht einfach einem traumatisierten Flüchtling eine Konzertkarte zustecken“. Die Aktion möchte jene ansprechen, die schon etwas länger hier sind. Wie etwa die 18-jährige Vian aus Syrien, die seit einem Jahr im Gelben Dorf in Rahlstedt lebt. Ihre Eltern sind noch in Syrien. Vian hat eine strapaziöse Reise hinter sich. Es begann mit einem 15-stündigen Fußmarsch durch die Wälder. 

Über die Türkei ging es nach Bulgarien, weiter über Serbien, Ungarn, Wien bis nach Hamburg. Hier sei sie gut aufgenommen worden, die Menschen in Hamburg seien sehr nett. Seit fünf Monaten lernt Vian deutsch. Denn sie hat einen Traum: Sie will Medizin studieren. In ihrer kriegsgeschüttelten Heimat wäre ein Studium unmöglich gewesen.

Artikel von NDR Kultur